Babys richtig tragen: Trends und Tips aus der Welt der Trageberaterinnen

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Tragetuch, Ring Sling, My Sol, Didi Tai, Fräulein Hübsch Mai Tai, Marsupi, Manduca, Ergo Carrier… Wer blickt denn bei der gigantischen Vielzahl von Tragemöglichkeiten noch durch? Die Mädels vom Tragenetzwerk tun das auf jeden Fall. Und ich bin jetzt auch wieder ein bisschen schlauer – dank der Einladung zum Netzwerktreffen der Trageberaterinnen am letzten Wochenende in Berlin, von dem ich euch heute berichte.

Braucht die Welt Trageberater?

Ich muss gestehen, dass ich bisher all diese, um mein Kerngebiet herum entstehenden, Berufe hin und wieder mit einer gewissen Skepsis betrachtet habe: Es gibt jetzt Doulas, die die Frauen unter der Geburt mitbetreuen – deren speziellen Nutzen hab ich vor geraumer Zeit erkannt. Laktationsberaterinnen helfen den Frauen im Wochenbett und darüber hinaus, wenn es mit dem Stillen nicht klappt. In Superspezialfällen bin ich froh, dass es noch eine Instanz gibt, zu der ich die Frauen schicken kann, wenn ich selbst nicht mehr weiter weiß. Auch Windelberaterinnen sind gerade stark im Kommen und jetzt gibt es auch noch Trageberaterinnen, die den Frauen erklären, wie man ein Baby richtig zu tragen hat?! Ist das denn nötig?
An diesem Wochenende habe ich dann verstanden, was diese Tätigkeit so wertvoll macht, was für eine tolle Arbeit diese engagierten Frauen leisten und was das für einen Nutzen für tragende Eltern hat.

Rantasten ans Tragen

Gleich am ersten Tag hatte ich die Möglichkeit, mich unter fachkundiger Anleitung der Trageexpertinnen durch sämtliche Tools zu testen und stellte fest, dass bestimmte Tragen immer besonders gut zu bestimmten Körpertypen passen. Welche das jeweils sind? Ein Blick auf die entsprechende Trage-Erfinderin/Herstellerin genügt fast immer, um zu wissen, für welchen Körperbau die Tragen mal konzipiert wurden. Das trifft vielleicht nicht immer zu, aber es gibt einem schon mal eine gute Richtung. Von dieser Regel sind Tragetücher natürlich ausgeschlossen, die passen sich ja bekanntlich jedem Körperbau an.

Take it and love it!

Darüber hinaus gilt: Man muss „seine Trage“ einfach mögen. Hier spielt durchaus die Optik eine Rolle. Denn was nützt es, wenn die Trage zwar gut sitzt, man sich mit ihr aber nicht wirklich wohlfühlt, weil sie so gar nicht zu einem passt?
Und dann spielt natürlich die richtige Anpassung eine Rolle. Manche Menschen sind da sehr intuitiv. Nicht jeder braucht unbedingt eine Trageberatung. Aber wenn ihr eine Trage habt und irgendwie will sie nicht so richtig bequem werden, dann ist es eine gute Idee, hier mal eine Expertin drauf schauen zu lassen.
Eine Trageberatung kostet übrigens um die 20,- € pro Stunde. Eine Beraterin in nächster Nähe findet man über die Übersichtskarte des Tragenetzwerkes. Dort findet man auch eine ausführliche Liste der verschiedenen Tragemöglichkeiten inklusive deren Vor- und Nachteile.
Ich, als bekennender Tragetuchfan, habe mich jedenfalls an diesem Wochenende in den „RingSling“ verliebt. Das ist wirklich ein tolles Teil, welches unheimlich schnell und einfach anzulegen geht. Und dabei ist er unschlagbar klein und passt wirklich in jede Handtasche. Der „RingSling“ kam ja, wie viele andere neuere Tragen auch, in meinem Blogbeitrag Babys richtig tragen: Hintergründe und Produktempfehlungen (Januar 2014) leider noch nicht vor. Dafür stelle ich ihn euch jetzt in den Produktempfehlungen vor. Gleich hier.

RingSling

Tragen von Frühchen

Der zweite Tag begann mit einem spannenden Vortrag der Kinderkrankenschwester Eva Vogelgesang, die auf der Kinder-Intensivstation der Kinderklinik Saarbrücken als pflegerische Leitung und zertifizierte Stillberaterin arbeitet. Diese Klinik ist eine Level 1 Klinik, das bedeutet sie erfüllt den höchsten medizinischen Standard. Das heißt aber auch, dass dort richtig schlimm kranke Kinder bzw. sehr frühe Frühchen liegen. Frau Vogelgesang hat dort verbindliche Standards zum Tragen von Frühgeborenen etabliert. Sie berichtete davon, wie sehr diese Kinder, und auch deren Eltern, von den frühen Trageerfahrungen profitieren. Frühchen geht es beim Tragen deutlich besser: Sie leiden seltener an Atemaussetzern als im Inkubator, sie entspannen sich mehr, trinken besser und sind viel ruhiger. Die Eltern verbringen durchschnittlich mehr Zeit mit ihren Kindern auf der Neonatologie, sind viel zufriedener, und haben mit dem Kind vor dem Bauch einen deutlich größeren Aktionsradius. Das ist für Eltern von Frühchen sehr wertvoll, denn man muss sich ja vorstellen, dass diese Eltern manchmal über Wochen hinweg Zeit in dieser Klinik verbringen, bis das Baby entlassen werden kann. Da ist es toll, wenn sie die Möglichkeit bekommen mit dem Baby einfach mal raus zu kommen. Einfach mal weg kommen von den ganzen piepsenden Monitoren, dem Geruch von Sterilium, den Neonröhren – das ist im Tragetuch möglich. Aber gerade hier braucht es eine erfahrene Beratung, um ein solch empfindliches Würmchen ordentlich im Tuch einzubinden.

Ein früher Trend bald Standard?

Leider ist das Tragen von Frühchen noch kein deutschlandweiter Standard. Frau Vogelgesang ist hierbei eine echte Trendsetterin und ich hoffe, dass sich diese Methode wie ein Lauffeuer in der Republik ausbreitet.
Wenn ihr in die Situation kommen solltet, mit einem Frühchen in einer Kinderklinik zu liegen, und ihr möchtet euer Kind tragen, dann bittet darum, das tun zu dürfen und verweist auf Saarbrücken. Der Chefarzt dort wird bestätigen, dass es eine wunderbare Bereicherung in der Frühchen-Betreuung ist. So schaffen wir es vielleicht, diesen Standard einzuführen.

Die Geschichte von Didymos

Ich liebe Tragetücher (sagte ich das schon!?) und so war es für mich natürlich super interessant einen Vortrag von Tina Hoffmann (Firma Didymos) über die Entstehung des Unternehmens, über Webtechniken und Garne zu hören.
Den Vortrag über das Weben kann ich nicht wiedergeben. Wen das aber interessiert, dem empfehle ich diese tollen Erklärungen aus der Sendung mit der Maus.  😉
Tina Hoffmann war eine der beiden Zwillingsschwestern, durch die es einst überhaupt erst zur Gründung der Firma kam. Didymos heißt auf griechisch Zwilling. Tinas Mutter hatte schon zwei Kinder, als sie Zwillinge bekam und wollte ihnen so viel Zeit und Zuwendung zukommen lassen, wie ihren ersten. Außerdem stand sie auch noch vor der Herausforderung ihren Haushalt mit vier Kindern zu bewältigen. So kam sie auf die Idee zu tragen. Das hatte sie bei Frauen aus Afrika und Südamerika gesehen. Das erste Tuch bekam sie von Freunden aus Mexiko. Damit war sie dann auf der schwäbischen Alb, ihrem Wohnort, unterwegs. Eine Exotin für damalige Verhältnisse. Sie erregte Aufsehen und ein Foto von ihr und ihren Mädchen landete im „Stern“. Daraufhin bekam sie 500 (!) Leserbriefe aus ganz Deutschland von Frauen, die auch tragen wollten. So kam es, dass Frau Hoffmann begann selbst Tragetücher herstellen zu lassen.
Eine tolle Erfolgsgeschichte einer Tragepionierin, wie ich finde.

Auf Tuchfühlung

Frau Hoffmann empfahl allen Tragetuchwilligen als Allrounder oder als Einsteigertuch immer ein Tuch aus reiner Baumwolle zu wählen. Diese seien am wenigsten empfindlich, verziehen Fehlbehandlungen beim Waschen und Trocknen am ehesten und seien einfach so gut wie unverwüstlich.
Ich kann das bestätigen: Mein Tuch wurde vor 16 Jahren gekauft, hat zwei eigene, intensiv getragene Kinder überlebt und ist seit dem immer mal wieder in Wochenbettfamilien als Leihtuch unterwegs. Es wurde unzählige Male gewaschen und hat dabei unser hartes Berliner Wasser, etliche Flaschen Essigessenz, Chlorwasser bei Schwimmbadbesuchen, Sonnentrocknungen, Sonnencreme, Windelunfälle und vieles mehr über sich ergehen lassen müssen. Und es ist immer noch toll. Einzig die Farbe ist ein wenig verblasst.
Natürlich gibt es auch Tragetücher von anderen Marken, wie Fidella oder Hoppediz, die auch ganz toll sind…

Einfach tragen

Dies war ein kleiner Einblick in mein Tragewochenende und noch bei Weitem nicht alles… Die für mich neuen Erkenntnisse werden sicher bald in weitere Artikel einfließen. Aber was sich schon jetzt für mich (erneut) herauskristallisierte ist:
Tragen ist praktisch, toll und verbindend. Getragene Kinder sind entspannter. Welche Trageform man wählt, ist Geschmackssache. Es ist für Jeden etwas dabei. Man kann intuitiv tragen. Tut es einfach! Traut euch! Es gibt keine Studien, die wirklich belegen, dass man dabei etwas falsch machen kann. Dabei gehe ich natürlich davon aus, dass ihr:

  • aufpasst, dass keine Schnalle euer Kind irgendwo drückt
  • schaut, dass es gut Luft bekommt
  • das Babyköpfchen stützt, solange das notwendig ist
  • aufpasst, dass die Beinchen nicht durch zu engen Stoff abgedrückt werden
  • dem natürlichen Bedürfnis eures Kindes, seine Beinchen anzuhocken, auch in der Trage, nachkommt.

Wenn ihr unsicher seid, oder euch eine Trageart unbequem erscheint, lasst euch bitte beraten. Die Trageberaterinnen machen einen echt guten Job!
An dieser Stelle noch mal herzlichen Dank an Anne Proetzsch vom Tragenetzwerk für die Einladung zu diesem Treffen und an all die anderen Frauen, die mich so großzügig mit ihrem Wissen ausgestattet haben!

Und am Ende ein kleines Suchspiel: Erkennt ihr das eine echte Baby auf dem Titelbild, zwischen all den Tragepuppen?

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Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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19 Kommentare
  1. Avatar
    keke sagte:

    “Erkennt ihr das eine echte Baby auf dem Titelbild, zwischen all den Tragepuppen?”

    Also, ich tippe auf die zweite Dame von links in der hinteren Reihe – ist nämlich die einzige, die auf ihr Baby schaut… 😉

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  2. Avatar
    Denise sagte:

    ich weiß es, ich weiß es 😀

    Es war ein tolles Wochenende und ich danke dir für einen Einblick in deinen Blog und deine Arbeit 🙂

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  3. Avatar
    Lara sagte:

    Ich habe auch ein Tuch von “Didymos”, das ist sogar noch von mir und ich will es unbedingt nutzen. War mir erst unsicher, weil ich Kommentare gelesen haben, das so ein Tuch ausleihern kann und man seinem Kind schaden kann bla bla… Aber schön zu lesen, dass solche Tücher eben doch etwas aushalten! Jetzt muss ich mich nur nochmal etwas mehr in die Materie reinfinden und gucken welche Tuchgröße das ist und dann die Bindemöglichkeiten anschauen. 🙂

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  4. Avatar
    Lena sagte:

    Liebe Jana, schön, dich persönlich kennengelernt und gleich an zwei Wochenenden getroffen zu haben. Vielen Dank für diesen guten Artikel! Alles Liebe,
    Lena

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    Claudia Laubenheimer sagte:

    Meinem sohn wurde geraten sein neugebprenes Kind nocht in der wiegetrage im baby tragetuch zi tragen
    Das habe man ” frueher” so gemacht. Es sei nicht gut für die kinder. Warum soll das so sein? Zudem wurde von geburt an eine aufrechte tragehaltung angeraten ( warum verstehe ich ebenfalls nicht)
    Besten dank für eine Antwort.
    Mfg Claudia

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Hallo Claudia, in der Wiegetrage wurden die Babys oft sehr einseitig getragen. Das ist wie mit Handtaschen, da hat man ja auch immer eine Lieblingsseite. Außerdem ist das Kind dann sehr versteckt und man sieht nicht so leicht, ob es dem Baby gut geht. Bei der aufrechten Trageweise ist das einfacher zu sehen.
      Die Wiegetrage ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber Dein Sohn soll die Wickelkreuztrage, oder eine ähnliche aufrechte Art einfach mal ausprobieren. Er wird sie bestimmt mögen.
      Liebe Grüße
      Jana

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  6. Avatar
    Anne Paladini sagte:

    Liebe Jana, ich bin gerade mit meinem Frühchen in einer Vivantes Klinik in Berlin und möchte sehr gerne lernen wie ich mein Frühchen tragen kann. Soweit ich es gehört habe, ist es an der Klinik noch nicht Standard sein Frühchen im Tuch zu binden. Weißt du wer ein guter Ansprechpartner in Berlin wäre um dazu eine Beratung zu bekommen? Vielen Dank! Anne

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Anne,
      deine Hebamme kann dich im Krankenhaus besuchen (bekommt sie bezahlt) und das Baby einbinden.
      Du kannst dich auch an jemanden vom Tragenetzwerk wenden.
      Du könntest aber auch die Schwestern dort fragen. Auch wenn es leider nicht üblich ist, hast du vielleicht Glück.
      Alles Liebe für euch und viel Glück!
      Jana

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