„Habt ihr auch Muttizeit?“ – ein Elternzeitbericht

Väter nehmen, statistisch gesehen, immer noch viel weniger Elternzeit in Anspruch als Mütter. Und in dieser Zeit hängt die gesamte Care- und Haushaltsarbeit in den meisten Familien nach wie vor weitestgehend an der Frau. Das mag teilweise an den politischen und gesellschaftlichen Strukturen liegen, die sich zwar grundsätzlich schon in die richtige Richtung entwickeln (Elternzeit, Elterngeld), aber immer noch keine Gleichbehandlung (Stichwort: gleiche Bezahlung) darstellen. Dass der Bereich der Familienarbeit in den Köpfen vieler Menschen nach wie vor den Frauen zugerechnet wird, liegt sicher auch an mangelnden Vorbildern im Vätersektor.

Für diese Serie habe ich in einem kleinen Aufruf nach Vätern gesucht, die über ihre Erfahrungen in der Elternzeit berichten. Es geht um Vereinbarkeit, Rollenfindung und darum, wie sie diese Pause vom Job im Tausch mit der intensiven Familienzeit – inklusive der dazugehörigen Care- & Haushaltsarbeit – erlebt haben. Gefragt sind Väter, denen eine gerechte Arbeitsteilung mit der Partnerin wichtig ist; die nicht nur Abend- und Wochenendväter sein wollen, sondern die eine wichtige Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, und von ihnen so viel wie möglich mitbekommen möchten.
Und die gibt es. Ab sofort stelle ich sie euch nach und nach hier im Blog vor.

Einer von ihnen ist Rüdiger Dreier. Er macht den Auftakt zu dieser Reihe, für die ich in erstaunlich kurzer Zeit eine ordentliche Anzahl toller Berichte erhalten habe. Und weil bald Vatertag ist, gibt es den nächsten schon am Donnerstag.

Rüdiger ist verheiratet, Vater zweier Töchter *2013 und *2016 und lebt mit seiner Familie in Münster. Auf seinem Blog mannpluskind.de  schreibt und berichtet er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen als Papa. Er ist der festen Überzeugung: „Papas können alles, außer stillen!“
Als er meinen Aufruf las, musste er, wie er schrieb, nicht lange überlegen, sondern hat seinen Elternzeitbericht sofort geschrieben.

Rüdiger – Sozialpädagoge – Zweifachpapa

Neulich, ich saß mit einem Freund und unseren Töchtern morgens um zehn in einem Café beim Frühstück, kam eine Kellnerin zu uns an den Tisch und fragte: “Habt ihr auch Muttizeit oder warum seid ihr mit euren Kindern so früh morgens hier?”
Nein, ich habe keine Muttizeit. Aber Elternzeit. Zum zweiten Mal. Bin also schon voll der Profi 😉

Für mein Herzblatt und mich stand schon vor der ersten Schwangerschaft fest: wir teilen die Elternzeit auf. Meine Frau hatte acht Monate Elternzeit – unter anderem wegen der Stillzeit – ich sechs. Bei uns im Haus ist mein Herzblatt die Topverdienerin, daher war schnell klar, ich nehme auch das zweite Jahr. Allerdings vertrete ich mich in dem Jahr selbst. Beim Tiger (eigentlich eine Tigerin, aber sie will ein Tiger sein) damals mit 30 Wochenstunden und bei Lila ab Anfang Juli mit 27 Wochenstunden.

Ich bin Dipl.-Sozialpädagoge und arbeite bei einem großen Wohlfahrtsverband in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche. Als ich ziemlich früh in der ersten Schwangerschaft mit meinem Chef über meinen Elternzeitwunsch sprach, gab es von ihm eine kurze Antwort: “Natürlich! Wenn nicht bei uns, wo dann!?” Im Verband allerdings war ich vermutlich der erste Mann, der mehr als zwei Monate Elternzeit genommen hat. Anders kann ich mir die vielen Telefonate und Mails mit dem Personalbüro nicht erklären…

Ich weiß, viele Väter haben Angst um ihre Karriere und nehmen nur kurz oder gar keine Elternzeit. Ganz ehrlich: wo soll bei mir die Karriere denn hinführen? Irgendwann mal Leiter einer Beratungsstelle oder so? Nein, vielen Dank! Da verbringe ich lieber so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern. Das ist mir Vaterkarriere genug 🙂 Zusätzlich sind meine langen Elternzeiten für meine Beratungstätigkeit extrem hilfreich. So kann ich mich jetzt bei Paarkonflikten in beide Seiten hineinversetzen. In den Elternteil, der abends von der Arbeit nach Hause kommt und in den Elternteil, der den ganzen Tag über zu Hause ist.

Elternzeitalltag

Aber wie sieht der Alltag bei uns in der Familie eigentlich aus?
Meine Frau geht morgens um sieben aus dem Haus. Von da an bin ich für die Mädels und die gesamte Carearbeit zuständig (2 Std. in der Woche kommt allerdings eine Putzfrau). An normalen Tagen mache ich die Kinder fertig, wir frühstücken, spielen und dann bringe ich den Tiger punktgenau um neun in die Kita. Zurück im Haus mache ich die Wäsche, spiele mit Lila, kaufe ein, räume auf, treffe mich mit anderen Vätern zur PAPAZEIT oder zum Frühstück, gegen 12 Uhr gibt es für Lila Mittagessen und anschießend lege ich sie hin. Dann setze ich mich oft an meinen Rechner oder Smartphone und lese, chatte und blogge. Nach zwei Stunden wacht Lila auf, wir starten langsam in den Nachmittag, holen die Große von der Kita ab und fahren bei gutem Wetter mit den Fahrrädern zum Spielplatz. Gegen halb sechs abends kommt mein Herzblatt nach Hause und wir bereiten gemeinsam das Abendessen vor. Im Anschluss bringt einer von uns Lila ins Bett und der zweite Elternteil schaut mit dem Tiger Sandmann und bringt sie anschließend ins Bett. Wenn beide Kinder schlafen, was meistens erst nach zwanzig Uhr der Fall ist, sitzen wir platt auf dem Sofa und streamen meist noch eine Serie. Jetzt – bei der herrlichen Sonne – trinken wir allerdings auch gerne ein Bier auf der Terrasse. 🙂

Was ich mag & was nicht

Ich liebe meine Frau und meine Kinder. Was ich überhaupt nicht liebe und scheinbar nach der ersten Elternzeit erfolgreich verdrängt hatte, sind die vielen Wäscheberge. Jetzt, mit zwei Kindern, sind die Berge noch höher und größer geworden. Irgendwie grüßt mich täglich das Murmeltier. Liegt endlich alles wieder sauber im Schrank, finde ich kurz darauf alle Klamotten im Wäschekorb wieder. Dieser Teil der Carearbeit wird nie mein Freund, niemals!
Vermutlich sind es auch die Wäscheberge, die ich in zehn Jahren noch im Kopf haben werde.

Ansonsten gibt es an der Elternzeit nix zu meckern. Vielleicht noch, dass sechs Monate bezahlte Elternzeit echt verdammt schnell rum sind. Aber die gemeinsamen 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche waren für die Kinder und mich der Hammer. Für die Bindung und für das Vertrauen untereinander braucht es Zeit und die hatten wir.
Ich habe es an anderer Stelle schon öfters geschrieben: ich war da, wenn der Tiger oder Lila mich brauchten, habe jeden neuen Entwicklungsschritt live und in Farbe miterlebt und mir musste niemand abends erzählen, was die Kinder alles am Tag erlebt haben. Ich war und bin dabei. Ich bin ein Teil ihres Lebens geworden. Unser Band ist fest und sicher, es wird uns über die nächsten Jahre hinweg tragen und hoffentlich ein Leben lang halten.

Elternzeitbericht: Tochter bei Papa auf dem Arm

Austausch mit anderen Papas

In meiner ersten Elternzeit hat mir eine Sache gefehlt: Der Austausch und das Treffen mit anderen Vätern. Dafür habe ich zusammen mit zwei Kollegen inzwischen gesorgt. Wir haben letztes Jahr die PAPAZEIT gegründet, ein Treff für Väter mit Kindern unter drei Jahren. Zurzeit bin ich ausschließlich Teilnehmer, nicht Veranstalter. Wir spielen mit unseren Kindern und tauschen uns aus. Ganz locker, ohne spezielle Förderangebote für die Kinder.

Neben der PAPAZEIT genieße ich den Austausch mit anderen Papa-Bloggern. Wir sind längst nicht so viele, wie die ganzen Mama-Bloggerinnen. Aber es gibt uns und wir werden mehr. 🙂

Mein Fazit

In wenigen Wochen endet meine bezahlte Elternzeit. Dann bin ich (wenn auch reduziert) tagsüber wieder im Büro. Die sechs Monate waren für mich eine ganz besondere Zeit. Allen werdenden Vätern kann ich nur empfehlen: nehmt Elternzeit, wenn es jobtechnisch und finanziell irgendwie geht. Und nehmt ruhig mehr als die sogenannten zwei Vätermonate. Kinder werden so schnell groß und die ersten Monate und Jahre sind so besonders und es passiert so unglaublich viel. Ich jedenfalls bin dankbar und glücklich für die gemeinsame Zeit mit meinen Kindern.

Elternzeitbericht: Erste Gehversuche

Lieber Rüdiger, vielen Dank für deinen Elternzeitbericht.

Übrigens gibt es auf Rüdigers Blog zufällig gerade eine passende Blogparade zum Thema: Fünf Gründe für Papa-Elternzeit. Also schaut dort unbedingt mal vorbei.

Und so geht’s weiter

Ich sammel natürlich weiter Berichte – ganz ausdrücklich auch von Nicht-Bloggern. Und wer noch nicht hat und gerne will, der schickt mir seine Version der Elternzeit für Väter einfach zu.
Ich lade zum Diskutieren und auch Streiten ein – solange alle die Contenance bewahren. Ich will hier aber gerne nicht nur Wohlfühl-Atmo haben, sondern denke, wir sollten kontrovers und bunt an die Sache herangehen.

Und was sagt ihr zu Rüdigers Elternzeiterfahrung?
Wer von euch hat eine ganz andere Erfahrung gemacht und fand das alles nicht ganz so einfach? Wo hat es in der Beziehung gerasselt und wer hat mit seiner Rolle gerungen? Wo sind, nach der Elternzeit, wieder alle in ihre gewohnte Rolle zurückgefallen? Ich freue mich über jede Erfahrung!

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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4 Kommentare
  1. Avatar
    kiddo the kid sagte:

    Das ist schön zu lesen, danke Rüdiger 🙂

    Bei uns war es so, dass ich 12 Monate Elternzeit genommen habe, weil ich viel mehr Elterngeld bekam als mein Mann. Er ist aber selbständig und hat im ersten Jahr superwenig gearbeitet. So sind wir ganz gut über die Runden gekommen und hatten sehr viel Zeit miteinander. Wir hatten uns vorher überlegt, dass diese Variante uns am meisten gemeinsame Zeit einbringen wird, das hat auch so hingehauen. Käme noch ein zweites Kind (theoretisch), würde wir wohl beide gleichzeitig Elternzeit nehmen, 50/50, und dann abwechselnd arbeiten bis Kita-Einstieg. Irgendwie sowas.

    Was mich manchmal ärgert, ist die fehlender Kreativität beim nutzen der Elternzeit. Väter, die lapidar die üblichen 2 Monate nehmen, so als bezahlten Urlaub. Weil es vermeintlich finanziell nicht anders geht. Ich finde ganz oft, dass das nicht stimmt. In meinem Kollegen- und Bekanntenkreis gibt es ne Menge gut verdienender Frauen. Teilweise verdienen die Männer mehr, aber so viel mehr, dass sie keine Elternzeit machen könnten, nun auch nicht. Ich würde mir da mehr Einfallsreichtum und ernsthafte Diskussion wünschen, bevor man sich für das “übliche” Modell entscheidet.

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  2. Avatar
    Barbara sagte:

    Wenn es etwas gibt, um das ich unsere deutschen Nachbarn beneide, dann die Elternzeit. Bei uns in der Schweiz stehen Väter gerade mal 1 Tag zu – das reicht dann mal knapp für die Geburt. Mein Mann arbeitet bei einer grossen Firma und kriegt 10 Tage, was zu den fortschrittlichsten Lösungen gehört. Zudem wird er anschliessend noch 2 Ferienwoche als einzelne (Halb-) tage beziehen können um mich im Wochenbett und mit der Betreuung der 2 Jährigen zu unterstützen. Unbezahlt zu nehmen liegt nicht drin, wir werden schon meinen verlängerten (unbezahlten) Mutterschaftsurlaub verkraften müssen; aber nach 14 Wochen zurück ins Büro kommt für mich einfach nicht in Frage. Ich will nicht jammern, wir werden das schon packen. Aber ich möchte alle ermutigen die so grosszügige Möglichkeit der Elternzeit voll auszukosten! Für die Kinder ist das doch das beste!

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  3. Avatar
    dragonet sagte:

    Wir haben schon vor dem 1. Kind beschlossen, dass wir mit allem (Arbeit, Care-Arbeit, Elternzeit) halbe-halbe machen wollen. Wir haben bei jedem Kind beide den ersten Monat Elternzeit (Vollzeit) genommen, um diese Zeit gemeinsam zu haben. Vor allem beim ersten Kind macht man ja eine steile Lernkurve durch und wir wollten nicht, dass einer das früher als der andere macht, wir wollten gleichzeitig gleich viel “Übung” mit dem Kind haben.
    Konkret habe ich beim 1. Kind 7 Monate Elternzeit (Vollzeit) genommen und mein Mann auch, allerdings als Teilzeit mit 20h. Beim 2. Kind habe ich wieder 7 Monate Elternzeit (Vollzeit) genommen und mein Mann 12 Monate (wieder Teilzeit 20h). Beim dritten werden wir es wieder genauso machen.
    Mein Mann arbeitet als Ingenieur in der Halbleiterindustrie, ich als Ingenieurin in der Automobilindustrie. Wir sind gleich ausgebildet (auch wenn die Gehälter nicht ganz vergleichbar sind, Gender-Pay-Gap lässt grüßen). Es ist mir bewusst, dass wir privilegiert sind, was Einkommen betrifft. Wir können vergleichsweise leicht mit dem finanziellen Verlust durch Elternzeit umgehen, ich muss aber auch sagen, dass wir das konkret eingeplant haben. Wir haben unsere Ausgaben (früher Miete, heute Kreditzahlungen, Urlaube, Auto etc.) immer darauf abgestimmt, dass auch durch Elterngeld/Elternzeit keine Probleme entstehen. Man muss halt vorausplanen und ein bißchen rechnen (und sich auch mal fragen, was wichtiger ist, Elternzeit oder Fernreise).
    Beruflich hatte mein Mann keine Nachteile durch seine Etlernzeit. Es ist natürlich ungewöhnlich, dass ein Ingenieur in einem männerlastigen Betrieb ein halbes oder ganzes Jahr Elternzeit nimmt und es braucht Mut, danach zu fragen, aber er hat nur positives Feedback bekommen (und jedes Mal nach der Elternzeit verantwortungsvollere Aufgaben…).
    Das ist auch der Grund, warum ich hier so ausführlich schreibe: Liebe Väter, auch wenn euer Chef vollautomatisch annimmt, dass ihr nur 2 Monate nehmen werdet, diskutiert doch mal, wies aussähe, wenn ihr länger in Elternzeit geht. Es kostet Mut und nicht jeder Chef ist begeistert, aber wenn man das mit Überzeugung macht, bekommt man definitiv Sichtbarkeit im Unternehmen. Und wenn man “nur” auf Teilzeit geht, ist man trotzdem anwesend und kann zeigen, was man leistet.

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