Berliner Mahnwache: “Familien fordern Hebammen”

Bei schönstem Sonnenschein machen wir uns auf den Weg in Richtung Friedrichstraße. Mein Sohn hat sich extra noch im Hort ein “Hausgeburtsschild” gebastelt, was nun auf seiner orangenen Weste klebt.
Das große Plakat ist im Copy-Shop gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Gestaltet wurde es bis nachts um 2 Uhr – vom hebammenunterstützung.de-Team!

Berliner Hebammenprotest

Wir sind pünktlich, aber der Bürgersteig vor dem Gesundheitsministerium ist schon voll mit gut gelaunten, protestierenden Familien und Hebammen und Hebammenfamilien. Überall sieht man Luftballons und tolle gemalte Plakate. Ein bisschen ist es auch erst mal wie auf einer Familienfeier. Bei so einer verhältnismäßig kleinen Berufsgruppe, wie uns Hebammen, kennen sich einige.
“Wir sind viele, wir sind laut – keiner uns die Hebammen klaut!” Das hört man immer wieder Gruppen skandieren. Die Presse ist da und überall werden Fotos gemacht.
Gegen 18.00 wird die Menschenmenge unübersichtlich und quillt auf die Strasse. Der Staßenverkehr, einschließlich der öffentlichen Verkehrsmittel kommt zum erliegen. Die Polizei tritt auf. “Familien fordern JETZT – HEBAMMEN” ist in lauten Sprech-Chören zu hören. Viele haben Banner, Klapperkochtöpfe und vor allem ihre Kinder mitgebracht um auf der Straße stillend (Brust raus!) Radau zu machen! Mit Trillerpfeifen, Rasseln und Trommeln wird das ganze auch noch kräftig untermalt.

Hier ein paar Impressionen…


Bitte gehn sie!

Am Ende muß die offizielle Veranstalterin die insgesamt gut 500 Demonstranten über ein Megaphon bitten, die Straße wieder frei zu geben. Wir schießen auch noch ein paar Fotos und treten gegen 19.00 recht zufrieden den Heimweg an und denken: “Das war keine ErMahnwache – das war eine Demo!”

Vielen Dank an alle die da waren! Hoffen wir, dass wir gehört wurden!

(Blogbeiträge anderer Blogger über die weiteren Demo’s/Mahnwachen von heute und morgen verlinke ich auf der Hebammenprotest-Aktuell-Seite hier im Blog, sobald diese fertig geschrieben sind. Ich freue mich über entsprechende Benachrichtigen hier als Kommentar!)

Nachtrag: Konsequenzen

Die Mahnwache in Berlin hat sich zu einer spontanen Demo entwickelt, als  Straßen von Eltern und Hebammen versperrt wurden. Die Straßenbahn musste ungefähr eine halbe Stunde lang auf der Stelle stehen. Trotz des Auflösens der Versammlung durch die Versammlungsleiterin, gibt es nun zwei Anzeigen gegen sie. Wir haben mehrfach versucht den Beteiligten zu erklären, dass es Konsequenzen für die Veranstalterin (eine Privatperson) hat, wenn wir die öffentlichen Verkehrsmittel sperren. Sie sagten “das macht doch nichts, das erzeugt Aufmerksamkeit und bezahlen können wir die Strafe doch alle zusammen”.

Nun frage ich: “Wo ist eure Beteiligung jetzt?” Habt ihr schon gespendet? Bitte geht in Euch und steht zu euren Worten. Eine Anwältin aus der Gruppe Hebammenunterstützung hilft uns bei den Rechtsfragen, aber die Strafe muss beglichen werden!

Wir werden also mit den Spendengeldern auch einen Rechtshilfefonds für solche Fälle einrichten. Aber die Spenden müssen erst mal eingehen…
Aktuell könnt ihr hier spenden.
Wir bereiten für die weitere Finanzierung des Protests derzeit ein Crowdfunding vor, dass in den nächsten Tagen live geht.

Hier das versprochene Update zu den Anzeigen:

Der offiziellen Veranstalterin der Mahnwache, Yvette, wurden zwei Anzeigen angekündigt. Bis sie eintreffen können allerdings noch ein bis vier Wochen vergehen.

Bei der ersten Anzeige wird es sich um eine Strafanzeige handeln. Yvette wird beschuldigt werden, ihren Pflichten als Versammlungsleiterin nicht nachgekommen zu sein.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird diese Anzeige nach der Prüfung zurückgezogen. Denn Yvette hat ja alles versucht – das können viele Menschen bezeugen – um die Mahnwache in Zaum zu halten. Außerdem hat sie die Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt für beendet erklärt und war somit für den weiteren Verlauf nicht mehr verantwortlich. In diesem Moment hätte die Berliner Polizei für eine Räumung der Strasse sorgen können. Die anwesenden Beamten waren, soweit ich das mitbekommen habe, sehr freundlich, wohlgesonnen und um Deeskalation bemüht. Das lag sicher auch an der Anwesenheit der vielen Kinder. Sie haben Yvette auch über das weitere Prozedere aufgeklärt. Daher wissen wir auch was auf sie zu kommt. Die Anzeige ist also eine Verfahrenssache. Ich bin keine Juristin, aber das bedeutet wohl, dass sie einfach vom Amts wegen gestellt werden muss. Wenn sie nach der Stellungnahme von Yvette wieder eingestellt wird, werden auch keine Kosten anfallen.
Schlimmstenfalls wird es ein Ermittlungsverfahren geben. Ich denke es wird kein Problem sein, hier Zeugen zu finden (ich würde auch aussagen und kann weitere Menschen benennen). Aber hier könnte schon ein Anwalt nötig werden, der auch Geld kostet.

Bei der zweiten Anzeige sieht die Sache nicht so gut aus:
Es handelt sich um eine Schadensersatzklage der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe). Die Straßenbahn wurde mindestens eine halbe Stunde lang an der Weiterfahrt gehindert. Nach unseren Informationen (von anderen Demonstrationsveranstaltern) klagen die Verkehrsbetriebe in so einem Fall immer. Hier wurde uns geraten auf jeden Fall einen Fachanwalt einzuschalten. Auch das würde wieder Geld kosten.

Warten wir also die Anzeigen und Ergebnisse ab. Wer jetzt Angst hat, seine Spende könnte unnötig gewesen sein, dem sei gesagt: Wir haben noch lange kein Ergebnis erzielt. Es wird weitere Veranstaltungen geben. Überschüssiges Geld wird in den angekündigten Rechtshilfefonds gehen, oder anderweitigen Aktionen für den Elternprotest zugute kommen.

Ich hoffe, ich konnte eure Fragen zufriedenstellend beantworten. Und ihr Anwälte da draußen: Verzeiht mir bitte meine sicher stümperhaften Formulierungen. Stillberatung kann ich besser! 😉

Video-Impressionen

Familien fordern Hebammen

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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11 Kommentare
  1. Avatar
    Marleen sagte:

    Hallo
    bzgl dem Foto “Deutsche Familienpolitik. Prostitution fördern. Hebammen abschaffen”: Ich bin Prostituierte. Ich bin keine Mutter, Schwangere oder Hebamme. Ich war dennoch gestern bei der Mahnwache, hab Sprechchöre mitgerufen, mitgetanzt, die Straße mit blockiert. Ich hab die Petition unterschrieben, schwangeren Freundinnen auf die Suche von juramama auf Schwangere aufmerksam gemacht ( http://www.juramama.de/2014/02/deutschen-frauen-werden-die-hebammen.html ). Ich erkläre meinen Freundinnen und Kolleginnen, warum die Haftpflichtversicherungen so teuer geworden sind und warum im Moment die freiberuflichen Hebammen in ein paar Monaten nicht mehr wirklich arbeiten dürften
    Ich bin traurig, finde es schade und absolut unnötig, dass hier Prostituierte und Hebammen gegeneinander ausgespielt werden!
    Ich kenne viele Prostituierte, die Mütter sind und würd ich sie fragen, sie wären wohl alle froh und dankbar um ihre Hebammen.
    Dabei ist doch sogar der Slogan auf dem Banner falsch: Prostitution hat nichts mit Familienpolitik zu tun und ist nur deshalb im selben Ministerium angesiedelt, weil meistens Frauen durch die bestehenden Gesetze die Prostitution reglementieren diskriminiert werden. Prostitution wäre im Wirtschafts- oder Arbeitsministerium viel besser aufgehoben. Und dabei war die Demonstration gestern vorm Gesundheitsministerium,…
    Es gibt eine parallele zwischen den Problemen mit denen Hebammen und Prostituierte zur Zeit kämpfen: Vor allem Frauen wird bei beiden die Möglichkeit genommen mit dem eigenen Wissen und Können den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir sollten solidarisch miteinander sein und dafür kämpfen in beiden Fällen die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten verbessern. Gerade sind schließlich für beide Berufe Schlüsselmomente der politischen Ausgestaltungsmöglichkeiten.
    Schade, dass ich das Banner gestern nicht gesehen habe, sonst hätte ich die Möglichkeit gehabt mich direkt mit den Leuten darüber zu unterhalten. Vielleicht komm ich ja zum nächsten Hebammenprotest mit dem Schild “Huren für Hebammen” und mobilisiere meine Kolleginnen mitzukommen.

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      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Marleen, erst mal vielen Dank, dass Du Dich so im Hebammen- und Elternprotest engagierst.
      Zu Deiner Kritik, die ich gut verstehen kann:
      “Mein” Plakat war das “Familien fordern Hebammen”-Banner. Das Plakat, von dem Du sprichst gehörte einer Hausgeburtshebamme (auf dem Bild mit den langen, roten Haaren), die ich nicht näher kenne. Ich habe sie auch nicht zu ihrem Plakat befragen können, da ich erst zu hause, nachdem ich die Bilder online gestellt habe, überhaupt erst gelesen habe, was drauf stand.
      Ich habe Fotos ins Netz gestellt, ja. Es sind Impressionen der Demo. Ich distanziere mich hiermit von dem Plakat mit der Prostitutions-schmähenden(?) Aussage. Es ist nicht meins! Frage mich auch, was damit gemeint oder gewollt war.
      Ich könnte aber versuchen, den Kontakt zu der Betreffenden herzustellen. Gewünscht?
      Liebe Grüße
      Jana

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    Jana Friedrich sagte:

    Den Twitterern da draussen, die sich, wie ich lese, fragen, ob das vielleicht die “Werbeeinblendung einer sexworkophoben Agentur” ist, die im Hebammenblog wirbt sei gesagt: Nein, natürlich nicht! Hier gibt es derzeit keine Werbung und die Vorstellung, dass es so etwas wie Werbung sein könnte, finde ich absolut absurd! Egal ob gewollt oder ungewollt…

    Die Frage, warum hat jemand so ein Transparent auf die Demo mitgebracht, finde ich aber sehr berechtigt und vielleicht bekommen wir hier ja ein Statement der verantwortlichen Akteure – wenn sie denn hier mitlesen sollten.

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  3. Avatar
    Marleen sagte:

    Liebe Jana,
    danke für deine wirklich überraschend erfreuliche Antwort und auch danke für deine Distanzierung 🙂
    Du kannst der verantwortlichen Hausgeburtshebamme gerne meinen Kommentar zu kommen lassen und ihr mitteilen, dass ich gerne dazu bereit wäre mich mit ihr und dir (falls du Interesse hast) mal auf einen Tee zu treffen und über Prostitution, Geburtshilfe und Mechanismen von Biopolitik zu unterhalten.
    Das mit den “Werbeeinblendungen” ist in der Tat überzogen.
    Liebe Grüße,
    Magdalena

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  4. Avatar
    Melanie sagte:

    Liebe Frauen!!!
    Ich möchte nicht, dass Frauen gegeneinander kämpfen. Im GEGENTEIL!!! Hier geht es doch gar nicht nur um Hebammen!!! Es geht darum, wie Frauen in unserer Gesellschaft behandelt werden. Die Hebammen in der Klinik, die Gebärenden in den Kreißsäalen, die Prostituierten, Mädchen, Töchter, Mütter… die Frauen im Allgemeinen!
    Ich wollte LAUT werden. Provozieren. Nicht mehr und nicht weniger.
    Liebe Marleen, du sagst es genau richtig! Das Wissen, die Intuition und Stärke der Frauen wird unterdrückt. Ich bin dafür, dass ALLE Frauen zusammenhalten. ” Huren für Hebammen” Super!
    Und ” Hebammen für Huren!”
    Es geht hier wirklich nicht um besser oder schlechter …
    Das versuchen die Politiker die ganze Zeit in den Medien. Themen werden gehypt, um von anderen Themen abzulenken oder um uns zu überfluten und damit ein Thema nicht mehr ernst wahrnehmen zu wollen/ können.
    Es geht dabei immer nur um Geld!

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    Prema sagte:

    Zu der Anzeige frage ich ich, wie kann das denn überhaupt sein, wenn die Veranstalterin nicht dazu aufgerufen hat, die Straße zu blockieren? Hat sie ja nicht. Also muss, nach meinem Verständnis, die Polizei diejenigen, die die Straftat begehen, selbst verhaften und anzeigen. Wieso soll die Veranstalterin dafür haften? Wenn man während einer Demo wegen Vermummung, Landsfriedensbruch oder Anketten verhaftet wird, übernimmt der Veranstalter auch nicht die Verantwortung und bezahlt die Strafe. Und schon gar nicht nach Auflösung der Veranstaltung.
    Hat das die Anwältin gründlich gecheckt?

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  6. Avatar
    Anne sagte:

    Eine kleine Spende habe ich gerade eben abgeschickt, auch wenn ich nicht in Berlin sein konnte, da wir einfach zu weit weg wohnen. Ich verfolge allerdings alle Aktionen sehr gespannt. Ich drücke die Daumen, dass die Strafe nicht zu hoch ausfällt und dass viele Menschen spenden werden. Auch das geht uns Familien an!!!

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  7. Avatar
    Gerlinde sagte:

    Hallo,
    gern beteilige ich mich mit einer Spende, stand ja schliesslich auch auf der Strasse. Ich wüsste nur gern vorher, wie hoch die Strafe ist, zu wann sie fällig ist, wie die Anklage lautet und ob die Möglichkeit besteht, diese anzufechten. Ich kenn mich mit juristischen Dingen nicht so aus, aber es erscheint mir auch schleierhaft, warum eine Einzelene für den zivilen Ungehorsam anderer verantwortlich gemacht werden sollte, siehe Prema weiter oben. Vielleicht könnt Ihr das nochmal ausführlicher posten, damit sich das auch leichter verteilen lässt. Danke!

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      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Gerlinde,

      habe dazu ausführlich mit Yvette und anderen gesprochen und werde zu den Kosten und den Gegenmaßnahmen heute nachmittag was schreiben. Hab jetzt Termine und leider keine Zeit für eine sofortige Antwort. Ich bitte noch um etwas Geduld. lg Jana

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  8. Avatar
    Sabine sagte:

    vielen Dank für diesen Artikel.
    Das sind hochwertige Informationen für alle Frauen, bzw alle Hebammen.

    LG Sabine

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  1. […] Auf das Thema bin ich durch den umtriebigen Daniel Birkhahn gestoßen, der in seinem Blog auf die Situation aufmerksam macht. Außerdem schildert der Blog Sakida die Situation. Und Hintergrundinformationen zum Thema finden Sie auch im Hebammenblog. […]

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