Erzählcafé: „Start ins Leben“ – so geht’s

Früher wurde das Wissen um Schwangerschaft und Geburt von Großmüttern, Müttern und Schwestern an die nächste Generation weitergegeben. Auch heute mangelt es nicht an theoretischem Wissen und medizinischen Ratschlägen. Aber eine liebevolle, persönliche Unterstützung, wie in einem Mehrgenerationenhaushalt oder Familien-Clan, fehlt inzwischen vielen Frauen.
Stattdessen gibt es heute viele technische Neuerungen und meist verunsichernde Diskussionen in den vielen Foren im Netz. Der Austausch ist dort zwar gut; was er aber nicht wirklich bieten kann, sind persönliche, vertrauenswürdige Empfehlungen, die die eigene Lebenssituation, die eigenen Werte und Wünsche konkret und individuell berücksichtigen. Oft gleichen die Onlinegespräche eher dem „Medikamententausch-Prinzip“: „Hat mir geholfen, probier doch auch mal“. Da fehlt in der Regel ein Moderator, der auch mal Geschichten relativiert, Hintergründe erklärt, oder fachlich fundiert interveniert.
Diese persönliche Beratungsform ist eigentlich die originäre Aufgabe einer Hebamme. Dass diese Arbeit vielerorts leider nicht mehr ausreichend angeboten werden kann, ist hinlänglich bekannt.
Verschiedene Gruppierungen, wie z.B. die Berufsverbände und die Hebammenunterstützung arbeiten zur Zeit daran, die Hebammentätigkeiten in all ihren Facetten zu erhalten. Es gründet sich sogar ein dazu passender Dachverband, der Mother Hood e.V.

Das Erzählcafé „Der Start ins Leben“

Eine weitere Aktion, die einerseits Frauen konkret nützt und andererseits das öffentliche Interesse, sowie das der Medien, erregen soll, ist das Erzählcafé „Der Start ins Leben“.
Erzählcafés sind ein Veranstaltungsformat, das von Sozialarbeitern in der Erwachsenenbildung schon lange genutzt wird, um Erfahrungswissen zu übermitteln. Das ist quasi moderner, moderierter Know-How-Transfer für die Post-Großfamilien-Generationen.
Ich finde diese auf die Geburtsthematik gemünzte Aktion, die als offenes Kooperationsprojekt von vielen Partnern unterstützt wird, ganz großartig und stelle sie euch im Folgenden genauer vor. Vielleicht nehmt ihr teil, oder organisiert sogar selbst ein erstes Erzählcafé in eurer Region.

Erzählcafe – so geht’s

Man nehme: Einen großen Raum, lade 50 Menschen (oder auch weniger) im Alter von Null bis Hundert ein, die wiederum ihre eigenen Mütter, Väter, Töchter und Söhne mitbringen. Natürlich sind auch Menschen eingeladen, die (noch) keine Kinder haben. In einer lockeren Café-Atmosphäre stehen dann erfahrene Mütter und Hebammen als Gesprächspartner zur Verfügung.
Dabei ist es sinnvoll, bestimmte Thementische einzurichten. Spannend wird es, wenn beispielsweise Tische nach Jahrzehnten sortiert werden: Geburten der 50er-, 70er- und 90er Jahre. Dafür müssten natürlich auch Zeitzeuginnen aus den entsprechenden Jahren zur Verfügung stehen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, Tische mit den Themen „Hausgeburt“, „Geburtshausgeburt“ oder „Klinikgeburt“ zu kreieren. Und an jedem dieser Tische gibt es dann eine Hebamme als Fachmoderatorin.
Nach einer kurzen Begrüßung werden die Methode und ein paar Gesprächsregeln erklärt. Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass Fragen gestellt und diskutiert werden können, dabei aber bitte möglichst keine (Ab)-Wertungen stattfinden.
Die anschließende Gesprächsrunde beginnt in der Regel mit der Geburtsgeschichte einer Erzählerin. Die Hebamme moderiert (je nach Bedarf) mögliche Fragen oder erklärt gegebenenfalls bestimmte Vorgänge und Zusammenhänge.
Nach etwa 30-45 Minuten findet ein Tischwechsel statt. Dazwischen gibt es Pausen – mit Kaffee und Kuchen.

Zusatzgoodies & Variationen

Das ist in etwa der grobe Ablauf, denn das Erzählcafé ist ein offenes Konzept. Jeder „Veranstalter“ ist herzlich dazu eingeladen, das bestehende Konzept zu erweitern und anzureichern. Einige gute Ideen dafür sind:

  • Die Tische mit Papiertischdecken und Stiften zu bestücken, die dann im Laufe des Gespräches bemalt, bekritzelt und mit aufkommenden Fragen beschrieben werden können. Die Tischdecken dann bitte unbedingt aufheben oder fotografieren.
  • Gegenstände mitzubringen, die zu Gesprächen anregen: Literatur, Babyutensilien aus den jeweiligen Jahrzehnten, ein Hörrohr, Fotos… Vielleicht haben die Zeitzeuginnen noch Erinnerungsstücke?
    Habt ihr weiter gute Ideen? Dann bitte ab in die Kommentare damit!

Dokumentation und Presse

Ganz wichtig ist es natürlich, die Aktionen zu fotografieren, damit auch die Öffentlichkeit was zu sehen bekommt und erreichbar wird!
Bitte macht viele schöne Fotos vom Ambiente, den Menschen im Gespräch, den mitgebrachten Utensilien, ggf. den Zeitzeuginnen und dem Kuchen! 😉
Die Fotos werden dann auf der Website: Erzählcafé.net ausgestellt. Eine Veröffentlichungsgenehmigung von allen Teilnehmern einzuholen, ist natürlich nötig.
Die Presse sollte selbstverständlich auch eingeladen werden! Gut ist es, sich vorher einen – für die Presse spannenden – Aufhänger zu überlegen. Etwa: „90-jährige Hebamme wird aus ihrem Arbeitsalltag berichten!“ oder: „Trümmerfrau erzählt von ihren Geburten!“.

Das Anliegen ist…

… nicht nur auf das Dilemma der heutigen Geburtsmedizin aufmerksam zu machen, sondern vor allem dem Ganzen etwas positives, stärkendes entgegen zu setzen. Und das ist so einfach, denn:

  • Frauen, die geboren haben, können wichtiges Wissen weitergeben, denn sie sind Expertinnen!
  • Das Verhältnis zu Schwangerschaft und Geburt hat sich über die Generationen hinweg stark verändert. Welche Änderungen sind zu begrüßen und welche kritisch zu sehen? Wie kann man die Zuversicht stärken, statt Risiko- und Angstorientierung zu fördern?
    Solche Fragen lassen sich im Gespräch gut beleuchten und vielleicht sogar beantworten.

Ziel: Nachhaltige Geburtskultur

Im Sinne des starken Eltern- und Hebammenprotests soll auch weiterhin der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach einer nachhaltigen Geburtskultur aufgezeigt und als bundesweite Forderung an die Politik weitergereicht werden.

Materialien & Organisationshilfe

Materialien, wie z.B. Ablaufpläne, Moderationshilfen, Plakatvorlagen und Werbeflyer können bei der Mitinitiatorin der Aktion, Lisa von Reiche,  angefordert werden. Sie ist Hebamme & Vorstandsfrau von „Hebammen für Deutschland e.V.“
Für Pressearbeit und allgemeine Koordination könnt ihr euch an die Wissenschaftsjournalistin Frau Dr. med Stefanie Schmid-Altringer (nahdran-Kommunikation für Gesundheit und Wissenschaft) wenden. Sie hat die Aktion ebenso initiiert und leitet das Projekt gemeinsam mit Lisa.
Alle Infos zur Aktion findet ihr auch auf der Kampagnen-Webseite erzaehlcafe.net.

Kosten & Spenden

Das alles kostet natürlich Zeit und Geld. Bei den Erzählcafés sollen deshalb Spendenboxen aufgestellt werden, um so die Hintergrundarbeit (Webseite, Flyer…) der Aktion ein wenig gegen zu finanzieren. Der Verein ist gemeinnützig und die Cafés werden ehrenamtlich betreut. Es sollte aber niemand noch extra draufzahlen müssen.

Weitersagen

Ich finde die Idee der Erzählcafés ganz großartig und hoffe, dass sie als große Welle durchs Land rollt!
Alle Aktionen & Termin sind auf der Erzählcafé-Seite zu finden, bzw. werden dort fortlaufend angekündigt. Bitte teilt die Erzählcaféseite oder diesen Artikel und tragt so zur Verbreitung der Aktion bei!

Ihr habt Fragen, Ideen oder wollt von einer Aktion berichten, bzw. darauf hinweisen? Ab in die Kommentare damit!

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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