Hebammen an Schulen für eine positive Geburtskultur

Wenn Grundschullehrerinnen erfahren, dass sie Hebammen-Mütter in ihrer Klasse haben, engagieren sie diese meist gerne für den Aufklärungsunterricht. Denn in der dritten Klasse kommt das erste Mal ein großes Themenpaket rund um die Entstehung des Menschen ins Spiel.
Auch ich wurde von den Klassenlehrerinnen meiner Kinder für diese Unterrichtseinheiten gerne „gebucht“. Und ich muss sagen: Ich liebe diese Schulstunden! Die Kinder finden das Thema „Wie wurde ich geboren“ unglaublich spannend und machen immer mit Feuereifer mit.
Diese Woche hatte ich die Ehre in der 10. Klasse meiner Tochter eine Doppelstunde Bio zu geben. Das lief ganz toll, so dass ich es heute gerne zum Anlass nehme, die Möglichkeit, Hebammen an die Schulen zu bringen, bekannter zu machen.
Ich unterstütze das frühe Erlernen einer positiven Geburtskultur, und möchte mit meinem Beitrag zum Nachahmen und Weitersagen anregen.

Hebammenunterricht in der dritten Klasse

Zu Beginn frage ich die Kinder danach, was sie von ihren eigenen Geburten wissen. Sie erzählen dann sofort von lustigen Bemerkungen ihrer Eltern, davon, wie verschrumpelt sie ausgesehen haben, vom ersten Schreien und manchmal sogar von dramatischen Situationen.
Wir sprechen von den „harten“ Fakten der Geburt, dem knöchernen Becken, das ich als Modell herum gebe, und tasten anschließend unsere eigenen Becken ab.

Hebammen-Unterricht: Becken fuehlen

Als Nächstes spiele ich eine Schwangere. Dafür schiebe ich mir das Puppenbaby in einer Stoff-Fruchtblase samt Strick-Uterus unter den Pullover und lasse ein Kind (in der Rolle der Hebamme) fühlen, wie das Baby liegt.

Hebammen-Unterricht: Babylage tasten

Dann überlegen wir, was ein Baby im Bauch so alles kann: Hören, daumenlutschen, pinkeln („ihh da drin?“), strampeln… Ich zeige ihnen das Hörrohr, bzw. das Doptone-Gerät zum Herztöne hören und wir lauschen den Herztönen einiger Kinder – was alle immer ganz besonders spannend finden.

Hebammen-Unterricht: Herztöne hören

In groben Zügen skizziere ich den Ablauf einer Geburt und achte dabei natürlich immer ganz besonders auf eine positive Wortwahl.

Hebammen-Unterricht mit Jana Friedrich

Dann spielen zwei Kinder Eltern, die ein Baby bekommen. Ein drittes Kind ist die Hebamme. In meiner letzten Klasse war es ein Mädels-Paar mit einer Jungs-Hebamme. Dann denken die Kinder darüber nach, was ein Baby isst und wir reden über Stillen und Fläschchen.
Am Ende benennen die Kinder das Baby – das letzte hieß „Joshi Schimpa“ – kleiden es ein und machen ein Foto für die Klassenpinnwand.

Früh übt sich

Bei der BZgA (Bundesgesundheitszentrale für gesundheitliche Aufklärung) kann man kostenlos tolle Unterrichtsmaterialien für diese Schulstunde bestellen. Ich lasse es dem immer dankbaren Lehrer für die Nachbereitung der Stunde da. Besonders die Laporellos über die Entwicklung der Babys im Bauch, finde ich ganz toll.

Hebammen an Schulen: Unterrichts-Materialien "Dem Leben auf der Spur"

Ich denke, es ist ganz wichtig mit Kindern zu einem so frühen Zeitpunkt schon über Schwangerschaft und Geburt zu sprechen. Die Kinder sind da in einem Alter, in dem sie sich im Spiel mal mit den Eltern und mal mit dem Baby identifizieren und alle Vorgänge von Schwangerschaft und Geburt als etwas ganz natürliches und vor allem etwas ganz tolles sehen. Ich glaube, dass diese positive Erfahrung hilfreich für ein späteres Beschäftigen mit dem Thema ist.

Hebammenunterricht für Zehntklässler

Vor kurzem bekam ich eine Anfrage der Biologielehrerin meiner Tochter, ob ich eine Unterrichtseinheit in ihrer 10. Klasse durchführen könnte. Ich sagte spontan zu, war dann aber doch etwas aufgeregt. Welche Fragen würden pubertierende Fünfzehnjährige wohl haben?
Erneut packte ich die Demomaterialien ein und schrieb mir ein grobes Konzept, für den Fall, dass die Bande mich aus dem Tritt bringt. Bereits nach fünf Minuten konnte ich es getrost verwerfen, denn der Unterricht lief auf Anhieb großartig. Eigentlich war es mehr eine lockere Erzähl- und Fragestunde, denn die Kids waren wirklich super interessiert und fragten und erzählten gerne und viel.
Die Lehrerin hat vorab mit mir diskutiert, ob wir die Klasse in Mädchen und Jungen teilen sollten. Das haben wir dann aber aus Zeitgründen gelassen, denn wir hatten nur zwei Schulstunden zur Verfügung, was letztlich auch nur ganz knapp reichte.
Die gemischte Gruppe machte sich aber auch sehr gut, und ich war froh, so entschieden zu haben. Die Beteiligung war in beiden Lagern sehr gleichmäßig und ich war angesichts des vorhandenen Wissens in der Gruppe und der Tiefe der Fragen sehr beeindruckt.

Hebammen-Unterricht im Gymnasium

Was 15-Jährige interessiert – eine kleine Auswahl

Einige Kinder machten sich Gedanken darüber, ob Schmerzmittel die Mutter-Kind-Bindung beeinflussen könnten. Eine PDA wurde als sehr gruselig empfunden.
Ebenfalls ein Thema war, ob man auch bei einem Kaiserschnitt bonden kann, bzw. ob man das Bonden auch nachholen könne.
Es wurde nach dem Babyblues und der Wochenbettdepression gefragt. Jungs machten sich Gedanken, wie sie die Gebärende unterstützen könnten und waren sich einig, dass ihre Rolle der Motivator sei. Ein Mädchen zweifelte daran, ob es gut sei, den Partner zur Geburt mitzunehmen und die Klasse beschloss, dass es typsache sei.
Es wurden Überlegungen angestellt, ob ein vorausgegangener Schwangerschaftsabbruch Einfluss auf die Geburt haben würde. Sie stellten dazu Fragen, sowohl zu den körperlichen, als auch zu den psychischen Auswirkungen.
Die Konsistenz der Fruchtblase wurde lange diskutiert und die Idee, dass ein Baby auch in der intakten Fruchtblase geboren werden kann, fanden alle faszinierend.
Alles in Allem war es eine tolle Stunde und ich war ganz froh zugesagt zu haben.

Nachmachen erwünscht

Wenn ihr auch Kinder habt, bei denen die Themen Schwangerschaft und Geburt in der Schule besprochen werden sollen, dann fragt doch mal bei eurer Hebamme an, wendet euch an den Deutschen Hebammenverband e.V. und/oder mailt diesen Artikel einfach an die Klassenlehrer bzw. Elternvertreter.
(In Berlin, genauer gesagt im Berliner Südwesten könnt ihr mich für diesen Hebammenunterricht buchen.)
Hebammen-Unterricht: Baby wiegen

Wenn ihr Kolleginnen seid und ihr möchtet euch auch in den Unterricht wagen, empfehle ich euch das Buch: Hebammen an Schulen.

Speziell für die Grundschule gibt es auch die sogenannte „hidsbox“. Sie enthält Vorschläge für die Gestaltung von Unterrichtseinheiten und ist für GrundschullehrerInnen gleichermaßen interessant. Und wenn ihr dann bereit seid loszulegen, könnt ihr euch auch in der Verbands-Datenbank von Hebammen-an-Schulen als Unterrichtshebamme registrieren.

Wert & Wertschätzung

So eine Unterrichtseinheit sollte natürlich nicht ehrenamtlich erfolgen müssen, denn für externe Dozenten stehen in der Regel entsprechende Mittel zur Verfügung. An der Schule meiner eigenen Kindern habe ich den Unterricht natürlich gerne ehrenamtlich durchgeführt, so wie ich auch ohne Bezahlung mal bastel oder Kuchen backe.

Und so wissen jetzt wieder ein paar mehr Schulkinder deutlich besser über die Hebammenarbeit bescheid. Das ist nicht nur für die Kinder von Vorteil, sondern kommt auch der Wertschätzung von Hebammen zugute – gerade heute ist das wichtiger denn je. Hoffen wir mal, dass das vermittelte Wissen auch noch Bestand hat, wenn unsere Kinder einmal groß sind.

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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8 Kommentare
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    Stefanie sagte:

    Liebe Jana, finde ich toll, dass du das machst und hier darüber berichtest. Ich selber war schon über dreißig, als ich meiner ersten Hebamme begegnet bin, und als es um die Berufswahl ging, kam ich gar nicht auf den Gedanken, dass es ja Hebammen gibt, ich hatte das gar nicht auf dem Schirm. Ich hoffe, wenn ein paar deiner Kolleginnen und ein paar LehrerInnen solche Unterrichtsstunden aufgreifen, sind nachfolgende Generationen hoffentlich nicht so ahnungslos wie ich. 🙂 (und vielleicht ist dann mal allen Menschen bewusst, das Hebammen wichtige Arbeit leisten, nicht nur Frauen, die gerade in den Wehen liegen…)

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  2. Avatar
    Mom sagte:

    Ich finde das sehr, sehr wichtig, dass Du die Bezahlung ansprichst – das ist SO RICHTIG!
    Zuviele Frauen machen zuviel aus Nettigkeit und sozialem Empfinden – aber Zeit hat einen Wert, und dieser Wert kann und soll auch in Geld ausgedrückt werden.
    Schulen haben i.d. Regel einen Topf für solche Ausgaben, und wenn die Hebamme nobel verzichtet, geht das Geld dann eben an den Typen aus der Privatwirtschaft, der ein halbgares Unterrichtskonzept verkauft wie die beste Erfindung seit geschnittenem Brot. Und ich schwöre, ich sähe das Geld lieber bei der Hebamme.

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    Stefanie Schmid-Altringer sagte:

    Ein schöner Bericht! Wir haben vor drei Jahren im Bonner Geburtshaus das Modellprojekt ‘Lernen im Geburtshaus’ ins Leben gerufen. Ein Mal im Monat öffnet das Geburtshaus für Schulklassen seine Türen, auch für Haupt- und Förderschüler. Unterstützt von der Stiftung Jugendhillfe der Sparkasse, bieten wir ganz kleine Gruppen. Neu ist die Kombi mit einer Kunstgruppe, in der eigenes Erleben in Farbe ausgedrückt wird.
    Wenn Du Lust hast, wäre es toll, wenn Du sozusagen als Fortsetzung über uns berichtest. Material schicke ich Dir gerne zu. Oder Du schaust unter: http://www.geburtshaus-bonn.de/aktuelles/lernen-im-geburtshaus.html

    Viele Grüße,
    Stefanie

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Ja, ich habe am Wochenende auf dem Hebammenkongress in Soest den Vortrag von Frau Dickmann-Löffler zu dem Projekt gehört. Das ist wirklich ein großartiges Konzept. Ich schreibe gerne mal darüber. Oder es wird ein Gastartikel?!
      Herzliche Grüße
      Jana

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  4. Avatar
    Ramona sagte:

    Liebe Jana,

    ich finde die Idee und Deinen Einsatz ganz wunderbar. Ich bin im 7. Monat schwanger mit dem ersten Kind und stelle fest, dass ich wenig bis keine Ahnung von Schwangerschaft und Geburt hatte. Bis auf das typische Bild im Kopf “Frau liegt schreiend und mit scherzverzerrtem Gesicht im Kreißsaal” hatte ich mich bis vor meiner Schwangerschaft wenig damit auseinander gesetzt Und das, obwohl in meinem engsten Freundeskreis in den letzten Jahren ein wahrer Babyboom ausgebrochen ist.
    Es gab nie wirkliche Gespräche über die Schwangerschaft und die Geburt unter uns Freundinnen. Mit wirkliche Gespräche meine ich, dass sich das Ganze eher auf der Ebene bewegte “Mir tut der Rücken weh”, “Ich hab Heißhunger auf dieses und jenes” etc. Die Gefühle, und vielleicht auch Ängste und Sorgen, die einen bewegen, wenn man an Schwangerschaft und Geburt denkt, bleiben unter dieser Oberfläche verborgen. Ich hörte immer nur “Ich will, dass es schnell vorbei ist”.

    Auch mit meiner Mutter gab es nie solche Gespräche. Erst jetzt, wo ich selbst schwanger bin und mich intensiv damit auseinandersetze, um die ganze Zeit auch so intensiv wie möglich zu erleben, rückt sie mit dem einen oder anderen Detail raus. Aber auch nur dann, wenn ich sie direkt frage.

    Das Schöne ist: ich habe vor der Geburt meiner Tochter keine Angst. Im Gegenteil, ich bin neugierig darauf, wie wir Beide das wohl machen werden. Als Team sozusagen. 🙂 Diese positive Einstellung habe ich mir in den letzten Wochen “zugelegt”, indem ich mich sehr viel mit dem Thema Geburt auseinandergesetzt habe, u.a. auch durch Deinen tollen Blog.

    Diese positive Einstellung, dass da was ganz Natürliches passiert und passieren kann, wenn man die Natur ein bisschen machen lässt, könnte man aber schon vorher vermitteln, in Gesprächen mit Freundinnen oder der eigenen Mutter. Und mir geht es nicht darum, irgendwas zu beschönigen. Ich gehe davon aus, dass das sehr schmerzhaft werden wird oder in einem Kaiserschnitt enden. Ich versuche nur Wege zu finden, mit diesen Schmerzen umgehen und mich auf die Notwendigkeit Kaiserschnitt einstellen zu können. Und ich denke, Angst ist hier einfach ein schlechter Ratgeber. Deshalb finde ich es wichtig, dass das Thema Geburt angesprochen wird. Und wenn es bereits bei kleinen Kindern diese ganz natürliche Neugier gibt, ist es doch schön, wenn sie gestillt wird. Damit jeder schon früh begreift, was da eigentlich Wunderbares im Körper einer Frau passiert.

    Schöne Grüße,
    Ramona

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Ramona, vielen lieben Dank für Deinen tollen, ausführlichen Kommentar!
      Es hört sich so an, als wenn Du wirklich gut auf Deine bevorstehende Geburt vorbereitet bist. Eine positive Einstellung und Neugierde sind gute Wegbegleiter!
      Ich wünsche Dir eine ganz tolle Geburt!
      Liebe Grüße
      Jana

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